Schreiben der Bildungsministerin wird zum Teil sehr kritisch gesehen
Das Schreiben der Bildungsministerin an die Schulleitungen des Landes ist uns als Kolleginnen und Kollegen an den Grundschulen und als Mitglieder der Fachgruppe Grundschulen der GEW zugegangen. Wir freuen uns, dass sie unsere Arbeit an den Schulen als „engagiert und kompetent“[1] einstuft, wenn auch an mehreren Textstellen ein starkes Misstrauen in unsere Kompetenz erkennbar ist. Auch wir sind der Auffassung, dass „eine gute Grundschule … von entscheidender Bedeutung für die gesamte Lernentwicklung und die Bildungskarriere unserer Schülerinnen und Schüler“ ist. Erfreulich also, dass „die Verbesserung der Grundschulbildung in den kommenden Jahren ein Schwerpunkt“ in der bildungspolitischen Arbeit sein soll – hoffentlich mit der entsprechenden Berücksichtigung im zuständigen Ministerium. Wir sehen einige Punkte in den ministeriellen Ausführungen kritisch:
Gute Wissens- und Kompetenzbasis
So bedauern wir es, dass die bereits erschienenen und in Fortbildungen eingeführten Fachanforderungen zurückgezogen wurden. Darin steckte viel Kompetenz und Arbeit, die nun wenig wertgeschätzt wurde. In einigen Schulen und im Bereich der Lehrkräfte-ausbildung wurde bereits seit einem Jahr damit gearbeitet. Wir erwarten, dass die Arbeit an den nochmals neuen Fachanforderungen nun zügig, verlässlich und auch in Absprache mit kompetenten Lehrkräften des Landes fortgesetzt wird.
Kinder haben auch bisher das „richtige“ Schreiben gelernt
Die Kinder an unseren Grundschulen haben auch bisher von Anfang an das „richtige“ Schreiben gelernt. Dabei wurden selbstverständlich Grundsätze eines zeitgemäßen Anfangsunterrichtes berücksichtigt und Lesen und Schreiben als individuell bedeutsam und als sich ergänzend erfahrbar gemacht. In einem fachdidaktisch zeitgemäßen Deutschunterricht werden dafür auch Lauttabellen genutzt, die heute zu jedem Lehrwerk gehören. Arbeit mit einer Lauttabelle heißt nicht, willkürlich zu schreiben. Der Kompetenzbereich Schreiben ist sehr komplex und umfasst mehr als nur den Bereich „Richtig schreiben“. Wir erwarten, dass dieser Aspekt in den neuen Fachanforderungen unbedingt Berücksichtigung findet.
Arbeit mit Grundwortschätzen wird kontrovers diskutiert
Es „wird unter anderem ein Grundwortschatz von rund 800 Wörtern eingeführt, den jedes Kind am Ende der Grundschulzeit beherrschen soll.“ Die Arbeit mit Grundwortschätzen wird in der Fachdidaktik kontrovers diskutiert. Wir fragen uns, wie er aussehen soll, wer ihn festlegen wird und welche Unterstützungsangebote es zur Grundwortschatzarbeit für Lehrerinnen und Lehrer geben wird. Außerdem merken wir sehr kritisch an, wie in einer inklusiven Schule jedes Kind diesen Wortschatz am Ende von Klasse 4 beherrschen soll.
Was versteht die Bildungsministerin unter verpflichtendem Erlernen der verbundenen Schreibschrift?
„Das Erlernen der verbundenen Schreibschrift soll verpflichtend sein.“ Was versteht die Ministerin darunter? Auch bisher lernten Grundschulkinder eine verbundene Handschrift, die fehlende digitale Ausstattung ließ den Schulen gar nicht die Wahl. Auch bei besserer technischer Ausstattung der Grundschulen wird Handschrift nicht abgeschafft werden. In den weiteren Ausführungen wird auf die Vereinfachte Ausgangsschrift verwiesen. Auch die Grundschrift, die mittlerweile an sehr vielen Grundschulen des Landes verwendet wird, führt zu einer verbundenen individuellen Handschrift. Wir gehen davon aus, dass auch die Grundschrift in den neuen Fachanforderungen ihre Berechtigung finden wird.
Mehr Unterricht
In Bezug auf Arbeit am Grundwortschatz und Arbeit an der Schrift weisen wir nachdrücklich darauf hin, dass dafür den Schulen, den Lehrkräften und vor allem den Kindern Zeit zur Verfügung gestellt werden muss, und zwar mehr Zeit, als die angekündigte Stunde für die Klassenstufen der Eingangsphase. Wenn wirklich die Unterrichtsqualität erhöht werden soll, braucht man mindestens eine Stunde pro Klassenstufe sofort, außerdem Zeit zum Besprechen und Fortbilden für Lehrkräfte.
Gute Werbung für den Beruf und A13 sind notwendig
Und gute Werbung für den Beruf der Grundschullehrerin, damit wir künftig ausreichend Menschen an den Schulen haben, die wirklich dafür qualifiziert sind. Dazu gehört auch eine angemessene Bezahlung nach A13! Aktuell ist die Zeit der Kinder in der Schule nicht automatisch auch Unterricht. Und die jetzt zunehmend eingesetzten Gymnasiallehrkräfte werden wohl korrekt bezahlt und haben sicher auch eine gute Handschrift. Mit Fächern wie Latein und Geschichte hilft man uns aber wenig zur Unterrichtsqualität beim Schreibenlehren oder Üben und Festigen in Mathematik.
Notenzeugnisse und Übergänge
Die Einführung von Notenzeugnissen ist rückschrittig für eine inklusive Grundschule mit pädagogischer Leistungskultur. Auch der Sinn einer Übergangsempfehlung in der genannten Form erschließt sich uns nicht.
Hoffen auf Dialog
Wir freuen uns auf den angekündigten Grundschulkongress im Frühjahr und hoffen, mit der Ministerin ins Gespräch zu kommen für eine kind- und zeitgemäße gute Grundschulbildung, denn „eine gute Grundschule ist von entscheidender Bedeutung für die gesamte Lernentwicklung und die Bildungskarriere unserer Schülerinnen und Schüler.“
GEW- Landesfachgruppe Grundschulen
[1] Alle zitierten Stellen entstammen dem Grundschulbrief der schleswig-holsteinischen Bildungsministerin Karin Prien an die Schulleitungen vom Oktober 2017.