Guter Ganztag braucht mehr!
Die GEW setzt sich dafür ein, allen Kindern und Jugendlichen die gleichen Chancen zu bieten. Die GEW macht sich dabei für ein leistungsfähiges, gerechtes und freies Bildungssystem stark. Die Ganztagsschule ist ein wichtiger Beitrag zur Bildungsgerechtigkeit.
Bundestag und Bundesrat haben 2021 die gesetzlichen Grundlagen für ein Recht auf Ganztag geschaffen: Beginnend mit dem Schuljahr 2026/27 gibt es ein gesetzlich verbrieftes Recht auf ganztägige Betreuungsangebote für Grundschüler*innen. Zunächst ab Klasse 1 aufwachsend bis 2029 wird eine Betreuungszeit von acht Stunden an fünf Tagen in der Woche zugesichert.
Aus Sicht der GEW muss es mit dem Rechtsanspruch auf Ganztag in der Grundschule einen wirklichen Neustart geben. Es muss eine massive Fachkräfteoffensive starten. Die Politik muss die Arbeitsbedingungen in Kita und Ganztag verbessern und mehr in die Ausbildung junger Menschen investieren.
Personal für den Ganztag gewinnt man nur mit guter Arbeit: Der Ganztag braucht feste Arbeitsplätze, die auf Wunsch in Vollzeit angeboten werden. Und die Arbeitsbedingungen müssen tarifvertraglich geregelt sein.
Aktuelles Ganztag
10 Punkte für einen guten Ganztag
Ein guter Ganztag braucht gut ausgebildetes Personal. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels sowohl bei den Lehrkräften als auch im Sozial- und Erziehungsdienst muss die Gestaltung attraktiver Arbeitsbedingungen zur Gewinnung von Pädagog*innen für den Ganztag oberste Priorität haben. Viele Kolleg*innen im außerschulischen Ganztag arbeiten aktuell unter prekären Bedingungen. Bei den sozialpädagogischen Fachkräften sind geringfügige Beschäftigung und der Zwang zu einer zusätzlichen Erwerbstätigkeit keine Seltenheit. Bei den Lehrkräften führen zusätzliche Aufgaben zu mehr Belastung, höheren Krankenständen oder einem frühzeitigen Ausstieg aus dem Beruf.
Ein guter Ganztag braucht aber die besten Arbeitsbedingungen! Die Arbeit im Ganztag muss existenzsichernde Arbeitsverhältnisse für Beschäftigte in freiwilliger Teilzeit sowie regulären Vollzeitarbeitsverhältnisse hervorbringen. Wir fordern Tarifbindung für alle Beschäftigten im schulischen Ganztag, egal ob an der Schule angestellt oder bei Trägern, die Bildungs- oder Betreuungsangebote erbringen. Gleichzeitig fordert die GEW einen angemessenen Betreuungsschlüssel in den pädagogischen Angeboten des Ganztags, eine höhere Planstellenzuweisung für Lehrkräfte (ca. 30 %) sowie den Ausbau der Schulassistenz – um mindestens eine halbe Stelle pro Klasse - zur Unterstützung der Lehrkräfte.
In einer idealen Form der Ganztagsschule treffen unterschiedliche berufliche Professionen nicht nur aufeinander, sondern erarbeiten kooperativ ein gemeinsames Bildungsverständnis. Eine wichtige Rolle als Vermittler*innen übernehmen hierbei die Leitung des Ganztages und die Schulleitung. Während die Schulleitung die Organisation des Unterrichts leitet, organisiert die Leitung des Ganztages unter anderem die außerunterrichtlichen Angebote sowie die Kooperation mit außerschulischen Bildungsträgern. Eine enge Zusammenarbeit beider Akteure ist für einen harmonisch rhythmisierten Schulalltag unabkömmlich. Voraussetzung hier ist eine angemessene Bezahlung und Freistellung für Leitungstätigkeiten in Ganztagsschulen.
Eine gute Qualität im Ganztag ist nur mit gut qualifiziertem Personal sicherzustellen. Das Ganztagsförderungsgesetz ist verankert im Sozialgesetzbuch (SGB VIII) – damit ergibt sich ein klares Fachkräftegebot für alle Angebote. Dies gilt es anzuerkennen und schnell Weiterbildungsmaßnahmen aufzulegen, um den entstehenden Fachkräftebedarf zu sichern.
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, müssen Ausbildungskapazitäten für Lehrkräfte an Grundschulen und für sozialpädagogische Fachkräfte weiter erhöht werden. Für eine Professionalisierung aller sind gemeinsame Fort- und Weiterbildungsangebote für alle im Ganztag arbeitenden Berufsgruppen nötig.
Der Ganztag bietet vor allem benachteiligten Schüler*innen die Möglichkeit, außerschulische Angebote wahrzunehmen, die ihnen ohne Ganztagsangebot verwehrt bleiben würden. Angebote von Sportvereinen oder Musikschulen im Rahmen des Ganztagsangebots der Schulen bauen Hürden ab, die durch den Einsatz von Bildungsgutscheinen bei der regulären Wahrnehmung dieser Angebote häufig mit Scham für die eigene finanzielle Situation verbunden sind. Darüber hinaus fordern wir ein kostenloses Schulessen. Dadurch werden sozioökonomisch benachteiligte Familien zu entlastet und allen Kindern ist eine eine warme Mahlzeit am Tag sicher.
Durch den verbindlichen Ausbau des Ganztages an allen Grundschulen ergibt sich ein erweiterter Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule. Die Heterogenität der Schüler*innen erfordert gerade im Ganztag gut ausgebildete Beschäftigte, die vielfältige Kompetenzen mitbringen und die individuellen Bedarfe der Kinder und deren Familien in den Mittelpunkt stellen.
Lehrkräfte, Sozialpädagog*innen, weitere sozialpädagogische und therapeutische Fachkräfte bringen in multiprofessionellen Teams ihre jeweiligen Perspektiven sowie Kompetenzen ein. Lehrkräfte und pädagogische Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe haben durchaus unterschiedliche Perspektiven auf Bildung und Erziehung junger Menschen, teilweise sogar einen unterschiedlichen Bildungsauftrag. Für eine gelingende Zusammenarbeit auf Augenhöhe bedeutet dies, dass alle Beteiligten ihre jeweilige Fachkompetenz einbringen und eine gemeinsame Verantwortung für die Bildung der Schüler*innen entwickeln. Hier braucht es feste und strukturell verankerte Zeitressourcen für die Vor- und Nachbereitung der eigenen Arbeit. Feste Besprechungszeiten innerhalb der Arbeitszeit sind für das gute Funktionieren multiprofessioneller Teams unerlässlich.
Eine Ganztagsschule, die sich dem Ziel einer bildungsgerechten Schule verpflichtet sieht, kann nicht nach dem Prinzip „vormittags Schule – nachmittags Betreuung“ organisiert sein. Die GEW Schleswig-Holstein sieht die gebundene Ganztagsschule deshalb als effektivste Form, Kindern zwischen den Lern- und Arbeitsphasen Zeit für Bewegung, Spiel, Entspannung und Freizeitaktivitäten zu ermöglichen. Der Übergang zu einem Rhythmisierten Ganztag sollte schrittweise umgesetzt werden. So könnten bereits im Vormittag Bewegungsangebote ausgebaut werden und auch Unterricht bis 14:00 Uhr erprobt werden.
Eine Ganztagsschule ist mehr als nur ein Lernort. Mit dem Ausbau der ganztägigen Betreuung wird Schule immer mehr zum Lebensort. Sie hat also einen starken Einfluss auf das individuelle Wohlbefinden der Lernenden und Lehrenden. Neben Lernräumlichkeiten sind Räume für sozialen Austausch, aber auch für Ruhe und Erholung erforderlich. Für einen inklusiven Ganztag müssen Möglichkeiten geschaffen werden, Räume an den Bedürfnissen der Kinder auszurichten. Räumliche Strukturen sind durch flexibles Mobiliar und flexible Wände so zu gestalten, dass Doppelnutzungen möglich sind, wenn es unumgehbar ist. Dabei muss darauf geachtet werden, dass diese sinnhaft sind. Klassenräume sollten z.B. für die Hausaufgabenbetreuung genutzt werden, aber nicht als Spiel- und Erholungsort dienen.
Ebenso braucht es Arbeitsplätze für das pädagogische Personal zur Vor- und Nachbereitung des Unterrichts. Auch Räumlichkeiten für Team-, Eltern- oder sonstige Beratungsgespräche müssen zwingend mitgeplant werden. Bei der Planung der Gebäude müssen das Know-how und die Bedarfe der Schule zwingend einbezogen werden.
Die Schule als ganztägiger Bildungsort spielt zukünftig eine stärkere Rolle im Leben der Schüler*innen. Die Öffnung Schule in den unmittelbaren Sozialraum im Stadtteil oder die Gemeinde ist daher unabdingbar. Die vielfältigen – vor allem informellen – Gelegenheiten zur Kommunikation und Interaktion zwischen Kindern, pädagogischen Fachkräften, Lehrkräften und dem schulischen Umfeld wirken sich positiv auf die Schul- und Vertrauenskultur sowie das Wohlbefinden der Kinder aus. Ergänzende Angebote von Musikschulen, Sportvereinen, der freiwilligen Feuerwehr etc. können eine Angebotsvielfalt schaffen, die Schule alleine nicht bereitstellen kann und somit auf die vielfältigen Interessen der Schüler*innen eingehen.
Der Ausbau der Ganztagsbetreuung ist eine Chance, den Schulalltag demokratischer und partizipativer zu gestalten. Ein guter Ganztag benötigt partizipative Strukturen sowie Beteiligungsmöglichkeiten für Kinder als gemeinsames Angebot von Schule und Jugendhilfe. Diese gehen weit über die institutionelle Beteiligung – etwa in Form eines „Klassenrats“ oder einer Schüler*innenvertretung – hinaus. Demokratie muss für alle erfahr- und erlebbar sein und bei allen Themen, die die Kinder betreffen, umgesetzt werden.
Bislang hat der Gesetzgeber es verweigert, eindeutige und verbindliche Qualitätskriterien für Bildung, Betreuung und Erziehung im Ganztag zu formulieren. Die Kriterien müssen Ziele und Erwartungen an den Ganztag klären, Kinderrechte und -schutz in den Mittelpunkt stellen, als handlungsleitender Rahmen dienen und zugleich unterschiedliche Formen der Umsetzung vor Ort ermöglichen. Die GEW setzt sich dafür ein, dass ein gemeinsames Qualitätsverständnis im Schulgesetz verankert wird.