Visueller Protest
Wir geben den Sorgen ein Gesicht
Coronabedingt setzte die GEW auf visuellen Protest. Sie stellte eine Videowand vor das Kieler Landeshaus. Die zeigte Selfies von Erzieherinnen und Lehrkräften, die ihrem Unmut über die übereilte Öffnung von Kitas und Grundschulen Luft machten.
Eine Demonstration mit vielen Menschen auf engem Raum erschien der Bildungsgewerkschaft GEW in Corona-Zeiten keine geeignete Protestform. Stattdessen entschied sie sich für eine symbolische Aktion. Sie stellte am Freitag, 26. März 2021 eine Videowand vor den Landtag. Die zeigte Selfies und Statements von Erzieherinnen und Lehrkräften, die ihrem Unmut über die übereilte Öffnung von Kitas und Grundschulen am vergangenen Montag Luft machten.
Die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende Katja Coordes wandte sich in ihrer kurzen Rede direkt an Ministerpräsident Daniel Günther und rief Richtung Landeshaus: „Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Günther, ändern Sie den Kurs Ihrer Landesregierung! In Kitas, Grundschulen und Förderzentren funktioniert kein Homeoffice. Da lassen sich keine ausreichenden Abstände einhalten. Spielen Sie nicht weiterhin mit der Gesundheit unserer Kolleginnen und Kollegen. Setzen Sie auf Vorsicht statt auf Risiko! Lassen Sie Kitas und Grundschulen erst einmal in halber Gruppenstärke starten!“ Forderungen nach schnellen Impfungen, leicht zugänglichen Tests sowie einen besonderen Schutz für Beschäftigte aus Risikogruppen schloss sie an.
Der Ministerpräsident ließ sich zwar nicht blicken, aber verschiedene Mitglieder des Landestages suchten den Dialog mit den Protestierenden. Seitens der Regierungsparteien waren das Tobias von der Heide (CDU) sowie Ines Strehlau und Lasse Pettersdotter, von der Opposition Serpil Midyatli, Dr. Ralf Stegner, Martin Habersaat und Birthe Pauls (alle SPD) und die SSW-Abgeordnete Jette Waldinger-Thiering. Ein kurzes Gespräch über das Absperrgitter hinweg, gab es auch noch mit Bildungsministerin Karin Prien (CDU).
Katja Coordes verwies darauf, dass sich die Beschäftigten in Kitas und Schulen große Sorgen um ihre Gesundheit machten. Denn nach wie vor fehle es dort an geeigneten Schutzmaßnahmen. Deshalb sei es aus ihrer Sicht „völlig inakzeptabel“, dass die Landesregierung trotz Inzidenzwerten im Auf und Ab um die 50 und trotz der sich immer stärker verbreitenden britischen Mutante die Beschäftigten in den meisten Kreisen in den vollen Regelbetrieb geschickt habe.
„Eine schrittweise Öffnung von Kitas und Schulen ist für die GEW eine Selbstverständlichkeit. Als Pädagoginnen und Pädagogen wissen wir nur zu gut, wie elementar wichtig Kitas und Schulen für die Kinder sind“, hob die Gewerkschafterin hervor. „Aber das geht nicht mit vollen Klassen und Gruppen. Das gefährdet die Gesundheit unserer Kolleginnen und Kollegen, der Kinder und deren Familien. Und die bisherigen Erfolge der Pandemiebekämpfung drohen dabei auch auf der Strecke zu bleiben. Der Wiedereinstieg in Schule und Kita muss behutsam erfolgen, Schritt für Schritt.“
Wie dramatisch die Lage vor allem in den Kitas ist, unterstrich Katja Coordes mit Zahlen einer Befragung von dort arbeitenden GEW-Mitgliedern: „Das Ergebnis ist mehr als besorgniserregend: 85 Prozent sehen sich nicht ausreichend vor einer Corona-Infektion geschützt. Die Angst um die eigene Gesundheit wird zu einer enormen Belastung in der alltäglichen Arbeit.“ An den Schulen dürfte es nicht viel anders aussehen.
Die stellvertretende GEW-Landesvorsitzende hielt den Landespolitikerinnen und –politikern noch eine weitere bemerkenswerte Zahl aus der Befragung vor: „91 Prozent der Befragten fühlen sich von den politischen Akteurinnen und Akteuren in ihrem Engagement nicht wertgeschätzt. Krasser kann ein Misstrauensvotum kaum ausfallen. Das sollten sich die Damen und Herren dort drüben im Landeshaus einmal durch den Kopf gehen lassen und ihre Politik im Interesse der Beschäftigten verändern.“