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Berufsvorbereitung

Von wegen Bildungsgerechtigkeit - Coaches für Benachteiligte gestrichen

Wer schon vor Corona zu den Benachteiligten in unserem Schulsystem zählte, ist noch weiter abgehängt worden. Doch gerade dieser Gruppe streicht das Land Coaches für die Berufsvorbereitung, was die Bildungsgewerkschaft GEW nachdrücklich kritisiert.

Kiel – Wie groß die Lerndefizite von Schülerinnen und Schülern nach Corona sind, ist unklar. Klar ist hingegen: Wer schon vor Corona zu den Benachteiligten in unserem Schulsystem zählte, ist noch weiter abgehängt worden. Doch gerade dieser Gruppe streicht das Land Coaches für die Berufsvorbereitung. Die Bildungsgewerkschaft GEW forderte daher die Landesregierung am Montag, 31. Mai 2021 auf, kurzfristig Mittel für die Fortsetzung der erfolgreichen Coachings bereitzustellen.

„Wir dürfen die benachteiligten Jugendlichen nicht in die Perspektivlosigkeit entlassen. Gerade jetzt brauchen sie jegliche Hilfe. Obwohl sie pandemiebedingt kaum Kontakt zur Berufsberatung hatten, nimmt ihnen das Land das wichtige Coaching auf dem Weg in den Beruf“, kann die GEW-Landesvorsitzende Astrid Henke das Vorgehen der Landesregierung in keiner Weise nachvollziehen. Schülerinnen und Schülern mit schwierigeren Startbedingungen habe das Coaching Chancen eröffnet. Für so eine wichtige Aufgabe müsse doch Geld da sein. Wenn es nicht anders gehe, sollten kurzfristig Mittel aus den sogenannten Bildungsmilliarden des Bundes dafür genutzt werden. Um Verlässlichkeit für Schulen und Coaches zu erreichen, bedürfe es langfristig aber einer Finanzierung durch Land und Agentur für Arbeit.

Wie sehr die Streichung einzelne Schulen betrifft, zeigt die Rückmeldung einer Gemeinschaftsschulleiterin an die GEW. Schon vor einem Jahr habe es für ihre Schule Kürzungen gegeben. Im Schuljahr 2019/20 hätten noch 1,5 Stellen für Coaching zur Verfügung gestanden, im Schuljahr 2020/21 nur noch eine halbe Stelle. Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die Unterstützung bräuchten, sei hingegen gestiegen.

„Als Schulleiterin einer Perspektivschule bin ich entsetzt darüber, dass Mittel für Schülerinnen und Schüler gekürzt werden, die durch Corona noch einmal mehr bedürftig sind. Wir haben viele Schülerinnen und Schüler aus Elternhäusern, die ihnen nicht helfen können oder wollen. Diese Schülerinnen und Schüler brauchen professionelle Hilfe“, machte die Schulleiterin ihrem Ärger Luft.

Sie wies in diesem Zusammenhang auf die hohe Zahl an Schülerinnen und Schüler mit vielfältigen Förderbedarfen an ihrer Schule hin. An ihrer Schule gebe es auch viele Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund. Für sie und ihre Eltern sei das System in Deutschland oft nur schwer zu verstehen. Sie müssten folglich intensiv beraten werden.

Aus ihrer Sicht als Schulleiterin sei es daher ein grober Fehler, nur noch Jugendlichen aus den sogenannten Flexmaßnahmen* und mit Schwerbehinderten-Status ein Coaching zu ermöglichen. Die Pläne der Landesregierung liefen hier völlig in die falsche Richtung.

Das Land finanzierte die Stellen für das Coaching seit 14 Jahren aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF). Nachdem diese jetzt gekürzt wurden, hat die Landesregierung entschieden, mit Beginn der neuen Förderperiode ab dem Schuljahr 2021/22 die Finanzierung für das Coaching zu kürzen.

*Flexmaßnahmen: diese Übergangsphase erlaubt es Schülerinnen und Schülern, den Lernstoff der Klassen 8 und 9 auf Anforderungsebene ESA (Erster Schulabschluss) über 3 Jahre verteilt zu erarbeiten.