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Schulkosten

Kinderschutzbund und GEW: Es ist Zeit für mehr Bildungsgerechtigkeit!

„Mehr Bildungsgerechtigkeit für ALLE Kinder durch tatsächliche Lernmittelfreiheit“ – mit dieser anhaltenden Forderung trat der Deutsche Kinderschutzbund (DKSB) heute gemeinsam mit der GEW vor die Landespressekonferenz in Kiel.

„Es ist nicht länger hinnehmbar, dass viele Kinder und Jugendliche immer noch langfristig auf ihrem Bildungsweg benachteiligt werden, weil ihre Eltern sich die Ausgaben rund um den Schulbesuch schlichtweg nicht leisten können“ kritisierte die DKSB SH Landesvorsitzende Irene Johns. Bereits 2013 hätten der DKSB SH und die GEW SH gemeinsam auf die belastende Kostensituation von Eltern schulpflichtiger Kinder in Schleswig-Holstein hingewiesen. Eine vor drei Jahren vom Landtag in Auftrag gegebene Studie habe längst bestätigt, dass die Kosten zu hoch seien, so Johns weiter. „Allein die Ausgaben für die zur Teilnahme am Schulunterricht notwendige Grundausstattung, die alle Eltern leisten müssen, liegen mit durchschnittlich 400 Euro weit über den dafür vorgesehenen Leistungen des Bildungs-und Teilhabepakets (BuT) von 100 Euro. Und rechnen wir die hier nicht einbezogenen, aber ebenso anfallenden Kosten für Sportschuhe, Taschenrechner, Schulausflüge oder Nachhilfeunterricht dazu, sind wir schnell beim Zehnfachen des BuT Basissatzes – ernüchternde Erkenntnisse, denen jetzt endlich Handeln auf allen Ebenen folgen muss“, mahnte Johns. 

Die sogenannte Lernmittelfreiheit, wie sie in Schleswig‐Holstein und sieben weiteren Bundesländern besteht, reicht nach Ansicht des Kinderschutzbundes bei weitem nicht aus. Anlässlich des Weltkindertages am 20. September setzt sich der Verband daher jetzt auch bundesweit für die tatsächliche Lernmittelfreiheit ein.Die Bundesregierung muss endlich dafür sorgen, dass Bildungs- und Teilhabeleistungen bei allen Kindern ankommen, die einen Anspruch darauf haben“, forderte DKSB-Präsident Heinz Hilgers und führte aus, dass aktuell mehr als 4,4 Millionen in Armut lebten, aber nur ein Bruchteil von Ihnen das Bildungs- und Teilhabepaket bekomme. „Das liegt vor allem an der unglaublichen Bürokratie. Zudem sind einzelne Leistungen viel zu niedrig und willkürlich festgesetzt, so wie der Schulbedarf von 100 Euro. Der wurde seit 2011 nicht mehr erhöht und die Studie aus Schleswig-Holstein zeigt ja, dass das viel zu niedrig ist“, so Hilgers weiter. „Dabei hat das Bundesverfassungsgericht mehrfach entschieden, dass alle Leistungen, auch der Schulbedarf, transparent und nachvollziehbar ermittelt werden und sich an den tatsächlichen Bedarfen von Kindern orientieren müssen“, so der Präsident des Bundesverbands.

Ein starker Kooperationspartner des DKSB SH im Kampf für mehr Bildungsgerechtigkeit im nördlichsten Bundesland ist seit mehr als fünf Jahren die GEW SH. Astrid Henke, Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW machte deutlich: „Eine echte Lernmittelfreiheit muss endlich auf den Weg gebracht werden. Arbeitsheft, Lektüre, Taschenrechner oder Tuschkasten sind notwendige Lernmittel um erfolgreich in der Schule mitzuarbeiten. Es muss Schluss damit sein, Kinder und Jugendliche zu beschämen, die das nötige Geld nicht oder erst am nächsten 1. haben. Es muss Schluss damit sein, dass Lehrkräfte mit dem Abkassieren von Kopier- oder Zeichengeld beschäftigt sind statt mit den Unterrichtsinhalten.“

Nach Ansicht von DKSB und GEW ist die aktuelle Ausgestaltung von Lernmittelfreiheit und Bildungs- und Teilhabepaket kein geeignetes Instrument, um wirkliche Bildungsgerechtigkeit zu erreichen. „Es sind grundlegende Maßnahmen und eine Sensibilisierung der Beteiligten notwendig, um allen Kindern gute Bildungschancen zu bieten“, betont die Landesvorsitzende Irene Johns.
Bis zur angestrebten Umsetzung der bundesweiten DKSB Forderung der Abschaffung des Bildungs- und Teilhabepaketes und Einführung einer Kindergrundsicherung, werde die Landesregierung SH daher aufgefordert:

  1. einen umfassenden Maßnahmenplan zur Senkung der Schulkosten für Eltern vorzulegen und so zu verabschieden, dass die darin beschlossenen Maßnahmen ab Unterrichtsbeginn des Schuljahres 2019/2020 umgesetzt werden können.
  2. tatsächliche Lernmittelfreiheit zu schaffen. Es müssen ALLE Materialien, die für den Schulalltag notwendig sind kostenfrei zur Verfügung stehen. Lernmittelfreiheit darf keine Mogelpackung bleiben. Es muss eine Anpassung des Schulgesetzes erfolgen.
  3. eine erneute Erhebung der Schulkosten entsprechend der Studie des IPN zur Evaluation des Erfolgs des Maßnahmenplans künftig alle fünf Jahre durchzuführen, beginnend mit dem Schuljahr 2020/2021.
  4. Schulen für die hohen Bildungskosten von Eltern zu sensibilisieren.

Unterstützt wird das Anliegen durch die Landesschülervertreter und den Landeselternbeirat.

„Wir erachten es als wichtig, dass Konzepte entwickelt werden, in denen alle finanziellen Situationen der Erziehungsberechtigten berücksichtigt werden, wenn es darum geht, welche Kosten innerhalb eines Schuljahres anfallen. Soziale Unterschiede dürfen keinen Einfluss auf den Bildungsweg der Kinder haben“, bekräftigte Leon, Mitglied der Landesschülervertretung der Gemeinschaftsschulen SH. Und Christin von der LSV Gymnasien SH fügte hinzu: „Tag täglich erleben wir als Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein, was an Kosten für Schule anfallen. Das heißt, dass wir im Dialog zum Thema Schulkosten unbedingt angehört werden müssen, da wir konkrete Beispiele und somit Verbesserungsvorschläge nennen können. Zum Beispiel müssen oftmals in den Kernfächern sogenannte Arbeitshefte angeschafft werden. Das Problem jedoch ist, dass diese mindestens zehn Euro kosten und in den meisten Fällen kaum beziehungsweise gar nicht genutzt werden“, so die 16jährige.

„Eltern stehen mit langen Listen, die ihnen von den Schulen ausgehändigt worden sind, oft ratlos vor der zahlreichen Auswahl an Schreibutensilien“, bestätigt auch der Vorsitzende des Landeselternbeirats Gymnasien SH Thomas Wulff. „Damit aber noch nicht genug: Teure Fachbücher und Übungshefte, Klassenfahrten und Exkursionen, Taschenrechner, sowie die durch Wachstum bedingte ständig neu anzuschaffende Sportbekleidung für Hallen- und Außensport -  So etwas kann und darf nicht zu finanziellen Lasten der Eltern gehen“, kritisiert Wulff.

„Die Dringlichkeit der Lage ist längst klar – Der Änderungsbedarf ist deutlich formuliert und bereits seit 2017 liegen dem Bildungsausschuss entsprechende Empfehlungen vor. Es ist jetzt also an der Landesregierung, diese Ergebnisse und Empfehlungen auch endlich umzusetzen“, betonte die Landesvorsitzende Johns.