Im Auftrag des Kita-Aktionsbündnisses „Unsere Kinder- unsere Zukunft“, dem auch die GEW angehört, hat das Deutsche Institut für Sozialwirtschaft sich an rund 1.000 Kitas gewandt (Rücklaufquote 72 Prozent). GEW-Landesvorsitzende Astrid Henke sagte zum Ergebnis: "Die Studie bestätigt unsere Befürchtungen. Das Personal in den Kitas reicht nicht aus, um den gesetzlichen Auftrag ordnungsgemäß zu erfüllen.Wir brauchen mehr Personal und einen besseren Fachkraft-Kind-Schlüssel in den Kitas. Die Politik muss endlich für bessere Arbeitsbedingungen sorgen."
Hilferuf der pädagogischen Fachkräfte
Dass mit der vorliegenden Studie erstmals pädagogische Fachkräfte selbst in großem Umfang zum Ausmaß und den Folgen der krankheitsbedingten Personalausfälle zu Wort kommen, ist bundesweit einmalig. Vieldiskutierte Themen wie Fachkräftemangel, Fachkraft-Kind-Schlüssel und hohe krankheitsbedingte Ausfallzeiten werden hier mit Zahlen belegt; rund 500 Seiten qualitativer Rückmeldungen aus den befragten Kitas verleihen ihnen konkrete Gestalt.
Im Folgenden haben wir die Ergebnisse des Forschungsberichts herausgestellt, die aus Sicht des Kita-Aktionsbündnisses am brisantesten sind und dringend ein Eingreifen der Politik erfordern.
„Mitarbeitende sehen sich nicht mehr in der Lage, das umzusetzen, was ihnen in der Arbeit mit Kindern wichtig ist. Beziehungs- und Bildungsarbeit gehen verloren. Viele Mitarbeitende sehen eine zu große Diskrepanz zwischen dem, was in der Schule vermittelt wurde und dem Alltag in der Kita. Viele Kollegen/Innen sind deshalb sehr unzufrieden.“
1. Zu wenige Fachkräfte bei den Kindern
Ein erheblicher Teil der Kindertageseinrichtungen im Lande betreut Kinder unterhalb der gesetzlichen Mindestanforderungen. Rund Dreiviertel der Einrichtungen hätten aufgrund der Personalsituation in der Kindertagesstätte einzelnen Gruppen bzw. die gesamte Kindertagestätte schließen müssen. Nur knapp ein Viertel der Einrichtungen haben dies im Jahr 2015 auch getan. Das bedeutet: 3 von 4 Kindertagestätten haben Notlösungen gefunden, die jenseits der gesetzlichen Regelungen standen.
Wir fordern:
Der Stellenschlüssel in den Einrichtungen muss dringend angehoben werden, damit die gesetzlichen Vorgaben überhaupt eingehalten werden können. Darüber hinaus muss der Fachkraft-Kind-Schlüssel generell verbessert werden; darauf weisen Experten seit Langem hin.
2. Vertretung für Ausfälle fehlt
Nur bei rund der Hälfte der Einrichtungen werden Ausfallzeiten - die beispielsweise durch Krankheit, Fortbildung, Urlaub oder Beschäftigungsverbot aufgrund einer Schwangerschaft entstehen - bei der Personalbemessung überhaupt berücksichtigt. Das bedeutet konkret: dass nur etwa die Hälfte der Einrichtungen bei Personalausfällen auf Vertretungskräfte zurückgreifen können.
Wir fordern:
Eine einheitliche Bemessungsgrundlage für Ausfall- und Verfügungszeiten ist zu schaffen. Vertretungsregelungen müssen gesetzlich verankert und finanziell abgesichert sein.
3. Abwärts-Spirale der Ausfallzeiten
Die bestastende Arbeitssituation führt zu einer starken Beanspruchung der Mitarbeitenden. Die Studie zeigt: In Schleswig-Holstein fehlen krankheitsbedingt Fachkräfte durchschnittlich 17,2 Arbeitstage. Dies liegt deutlich über den in offiziellen Statistiken kalkulierten 13 Fehltagen pro Jahr. Das bedeutet: Viele Mitarbeitende sind gezwungen permanent krankheitsbedingte Ausfall-Situationen aufzufangen; sie gehen ständig über ihre Grenzen und erkranken häufig selbst. Überstunden häufen sich an und der notwendige Zeitausgleich führt zu weiteren personellen Engpässen. Dieser Teufelskreis wird von vielen der Befragten der Studie beschrieben.
Wir fordern:
Krankheitsbedingte Ausfälle müssen im Umfang der tatsächlichen Durchschnittszahlen in eine einheitliche und verbindliche Bemessungsgrundlage für Ausfallzeiten aufgenommen werden.
4. Viele Stellen sind unbesetzt
Aktuell sind in rund 20% der Kindertageseinrichtungen Stellen nicht besetzt. Vorhandene Vertretungskräfte werden durch den Personalnotstand häufig fest übernommen. Dadurch wird die oben beschriebene Problematik noch verschärft.
Wir fordern:
Geeignete Maßnahmen sind zu ergreifen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen.
5. Finanzierung nicht auskömmlich
Die Studie belegt: Bei der beschriebenen, desolaten Personalsituation handelt es sich nicht um seltene Einzelfälle, sondern diese Situation ist eher die Regel. Diese Personalsituation ist strukturell bedingt und liegt darin begründet, dass das Kita-System an sich nicht auskömmlich finanziert und organisiert ist.
Wir fordern:
Ein auskömmliches, einheitliches, flächendeckendes Finanzierungskonzept muss endlich auf den Weg gebracht werden!
Folgen für Kinder und Familien
Die Personalsituation in den Kitas hat erhebliche Auswirkungen, besonders für die betroffenen Kinder und ihre Familien:
- Eine verlässliche Betreuung der Kinder ist gefährdet. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie steht auf dem Spiel.
- Aufsicht, Betreuung, körperliche und emotionale Versorgung der Kinder ist oft nicht mehr in notwendiger
- Weise gesichert.
- Die Gefahr von Stress und anderen psychischen Belastungssituationen für die Kinder nimmt enorm zu.
- Eine individuelle Begleitung von Kindern, die gerade in dieser sensiblen Altersspanne so unentbehrlich ist, kann in vielen Fällen nicht gewährleistet werden.
- Individuelle Bildungsbegleitung, selbstbildendes Lernen, Umsetzung von geplanten pädagogischen
- Projekten ist für viele Teams inzwischen ein seltener Luxus.
- Die pädagogische Qualität ist nicht mehr gesichert.
- Kita-Teams und Fachkräfte können ihren eigentlichen Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag
- gegenüber dem einzelnen Kind nicht im erforderlichen Maß erfüllen.
- Die Einrichtungen haben kaum noch Ressourcen, um auf Bedarfe von Familien einzugehen. Die Zeit für Austausch fehlt. Selbst Tür und Angelgespräche finden nicht mehr statt. Die notwendige individuelle Zusammenarbeit mit den Eltern bleibt deshalb oftmals auf der Strecke.