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GEW-Umfrage an den Gemeinschaftsschulen

Keine Zeit für guten Unterricht

Knapp 1.200 Kolleg*innen haben sich an unserer Umfrage beteiligt. Schulleitungen, Klassenlehrkräfte und Personalräte haben unsere Fragen nach Klassengröße, Differenzierungsstunden und ihrer persönlichen Arbeitsbelastung beantwortet.

Die Herausforderungen an unseren Gemeinschaftsschulen wachsen ständig: Klassen werden größer, pädagogische Arbeit anstrengender und Arbeitsbelastungen steigen. Die GEW fordert deshalb schon lange mehr Entlastung und vor allem mehr Zeit für individuelle Förderung. Aber das Ministerium rechnet sich die Lage schön. Und noch schlimmer: Angesichts der aktuellen Haushaltslage wird wieder über Kürzungen im Bildungsbereich gesprochen. Das darf nicht passieren. Schon jetzt ist die Lage an den Schulen extrem angespannt. Wir haben deshalb die Lehrkräfte an den Gemeinschaftsschulen mit und ohne Oberstufe gefragt, wie ihr Arbeitsalltag wirklich aussieht. 

Laut Erlass stehen jeder Lerngruppe an den Gemeinschaftsschulen fünf Stunden für Differenzierung zu. Sie sind fest im Planstellenzuweisungsverfahren eingeplant, werden den Schulen entsprechend zugeteilt und vor Ort unterschiedlich genutzt. Beispielsweise in Form von Doppelbesetzung oder Teilungsstunden. So viel zur Theorie. In der Praxis kommen diese schon heute kaum bei den Lehrkräften und Schüler*innen an. Manche Kolleg*innen wissen deshalb gar nicht, dass diese Stunden zur Verfügung stehen müssten. Wenn sie fest im Stundenplan eingeplant sind, finden sie oftmals nicht statt, etwa weil sie für Vertretungsunterricht genutzt werden. Von den teilnehmenden Klassenlehrkräften (857 Kolleg*innen) gaben 29 Prozent an, dass gar keine Differenzierungsstunden in ihren Klassen stattfinden. Nur 13 Prozent der Differenzierungsstunden findet weitgehend wie geplant statt!

Klassen werden immer größer

Je kleiner die Klassen, desto besser können Lehrkräfte auf die Bedürfnisse einzelner Schüler*innen eingehen. Das wäre gerade an den Gemeinschaftsschulen mit ihrer vielfältigen Schüler*innenschaft besonders wichtig. Ein frommer Wunsch. 41 Prozent der Umfrageteilnehmer*innen geben eine durchschnittliche Klassengröße von 26-30 Schüler*innen an. Viele Kolleg*innen berichten von den Problemen immer größer werdender Klassen. Exemplarisch dafür steht folgende Antwort:

„Die Anzahl unserer Schüler*innen ist stark gewachsen. Die Räumlichkeiten nicht. Das bedeutet: Größere Kurse, mehr Arbeit, mehr Lärm in der Schule. Es gibt kaum noch Freiräume, alles ist belegt. Durch den engen Raum wächst das Konfliktpotential unter den Schüler*innen.“

Nicht nur die regulären Klassen werden größer, auch die DaZ-Basiskurse sind zu groß. Im Januar kündigte Bildungsministerin Karin Prien an, die Größe der DaZ-Gruppen von 16 auf 18 Schüler*innen anzuheben. Dass dies ein rein statistischer Wert ist, der mit der Realität in vielen Kreisen nichts zu tun hat, zeigt unsere Umfrage. 21 Prozent der Befragten gibt an, dass die Basiskurse schon jetzt mit über 18 Schüler*innen besetzt sind. In so großen Gruppen wird es nicht gelingen, das von Karin Prien auserkorene Ziel zu erreichen, den beruflichen Einstieg für Geflüchtete und DaZ-Schüler*innen zu sichern. 

Lehrkräftemangel verstärkt die Probleme an den Gemeinschaftsschulen

Neben den ohnehin schon großen Herausforderungen, mit denen die Gemeinschaftsschulen konfrontiert sind, schwebt über ihnen der immer größer werdende Lehrkräftemangel. 83 Prozent der Teilnehmer*innen unserer Umfrage beantworten die Frage, ob alle offenen Stellen an ihrer Schule mit ausgebildeten Lehrkräften besetzt werden konnten, mit Nein. 

Besonders deutlich wird die angespannte Lage an den Gemeinschaftsschulen in den Antworten auf die Frage „Was belastet dich in deiner Arbeit aktuell am meisten“. Sehr viele Kolleg*innen nutzen diese Frage, um ihre Belastungen zu schildern und ihren Frust raus zu lassen. Thematisiert werden die Zunahme an herausforderndem Verhalten der Schüler*innen, zusätzliche Aufgaben durch bürokratische Vorgaben und anspruchsvollere Elternarbeit. Viele Kolleg*innen betonen, dass sie sich in ihrer Arbeitsbelastung nicht von ihrem Dienstherrn gesehen fühlen. Beispielhaft ist diese Antwort:

„Am meisten belastet es mich, keine Zeit mehr für gut vorbereiteten und vor allem binnendifferenzierten Unterricht zu haben. Als Klassenlehrerin habe ich alle Hände voll damit zu tun, mich um auffällige SuS zu kümmern, dem Papierwahnsinn Herr zu werden und Elternmails zu bearbeiten. Ich habe in den letzten 1,5 Jahren so viele Elterngespräche geführt wie in den sechs Jahren zuvor nicht.“Wie geht’s weiter?

Zugegeben: Die Ergebnisse unserer Umfrage sind wenig überraschend. Trotzdem sind sie wichtig, weil das Bildungsministerium nach wie vor die angespannte Lage an den Gemeinschaftsschulen ignoriert. Statt sie flächendeckend besser aufzustellen durch mehr Ressourcen, mehr multiprofessionelle Teams und weniger bürokratische Vorgaben, startet man das Schuljahr lieber mit einem völlig entlastungsleeren Rahmenkonzept. Schulen sollen smarte Zielvereinbarungen verfassen, um basale Kompetenzen zu sichern, und die Zahl der Absolvent*innen aller Abschlüsse erhöhen. Wie das ohne zusätzliche Ressourcen gehen soll, beantwortet das Ministerium nicht. Angesichts des angespannten Haushalts wird stattdessen gerechnet, wie man mit Maßnahmen wie der Erhöhung der Gruppengröße bei den DaZ-Basiskursen Stellen einsparen kann. Das ist ein Armutszeugnis. Die Lage an den Gemeinschaftsschulen ist bereits jetzt so angespannt, dass wir keine weiteren Verschlechterungen akzeptieren können. Dafür kämpfen wir in den kommenden Monaten gemeinsam mit euch.