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Gymnasiale Oberstufe

Bildungsgerechtigkeit braucht flexiblere Wege zum Abitur

Der digitale Wandel, die Veränderung der Arbeitswelt und die Heterogenität der Schülerschaft erfordern eine Reform des Abiturs. Der vorgelegte Vorschlag der KMK enttäuscht, weil er diese Veränderungen nicht berücksichtigt.

Die KMK setzt weiterhin auf starre Vorgaben und arbeitet sich an Formalien ab. Die beschlossenen erhöhten Leistungsanforderungen in drei Fächern gelten in Schleswig-Holstein beispielsweise schon.

Die GEW Schleswig-Holstein tritt dafür ein, Lehrenden und Schüler*innen möglichst viele Gestaltungsmöglichkeiten einzuräumen. Konkret: mehr Wahlmöglichkeiten als verpflichtende Elemente, weil das Motivation und Lernbereitschaft von Schüler*innen stärkt.

Die Forderung nach einer bundesweiten Vergleichbarkeit der Abiturleistungen bleibt aus unserer Sicht ein frommer Wunsch, solange die Voraussetzungen von Bundesland zu Bundesland völlig verschieden sind. So haben die bundesweiten zentralen Abiturprüfungen nicht zur gewünschten Vergleichbarkeit, zur inhaltlichen Qualitätssicherung der Prüfungsvorbereitung und der Prüfungsergebnisse geführt, sondern belasten die Schulen durch einen hohen bürokratischen Aufwand.

Die GEW erwartet von der KMK mehr Mut zu dringend notwendigen Veränderungen. Die Potsdamer Erklärung von GEW und weiteren Bündnispartnern legt Eckpunkte vor, wie eine moderne Oberstufe funktionieren kann. Sie liefert Impulse zur Veränderung.  Zu den Vorschlägen gehören das Arbeiten in unterschiedlichsten Lerngruppen, neue Prüfungsformate wie Forschungsberichte oder Multimediapräsentationen, weniger Belegverpflichtungen und die individuelle Auseinandersetzung mit Schwerpunktthemen sowie Schulzeitstreckungen oder -verkürzungen.

Die sechs Eckpunkte der Potsdamer Erklärung:

  • Zukunftsfähige Lernkultur: Die bisherige Struktur der Oberstufe basiert auf gemeinsamem Unterricht nach Fächern getrennt für alle zur gleichen Zeit und am gleichen Ort. Nötig ist aber eine Lernarchitektur, die das Lernen allein, zu zweit, im Team, in kleinen oder großen Gruppen ermöglicht, in unterschiedlichem Lerntempo, auch zu variablen Zeiten.
  • Weiterentwicklung der Prüfungsformate: Die Leistungsmessung in der Oberstufe und im Abitur wird dominiert von Klausuren. Um die oben genannte Lernkultur auch in den Prüfungen abzubilden, müssen Leistungen in unterschiedlichen Formaten erbracht werden können – etwa als E Portfolios, Forschungsberichte, Kolloquien oder Multimediapräsentationen.
  • Zeit für Vertiefung: Die Beleg- und Einbringverpflichtungen in der Oberstufe führen zu 30 bis 35 Wochenstunden als Präsenzzeit in vielfältigen Kursen. Um den Jugendlichen Zeit zu geben, sich vertieft mit anspruchsvollen Themen auseinanderzusetzen und dabei eigene Schwerpunkte zu setzen, sind eine verringerte und zeitlich flexiblere Belegverpflichtung und schlankere curriculare Vorgaben nötig.
  • Individuelle Bildungswege: Dazu gehören etwa Schulzeitstreckungen oder Verkürzungen,  die Anerkennung außerschulisch erbrachter Leistungen nach klaren Kriterien und die Wiederholbarkeit einzelner Kurse. Öffnungen für ein „Abitur im eigenen Takt” würden mehr Bildungsgerechtigkeit ermöglichen.
  • Innovationsklausel: Die Anforderung an Schule und Bildung wird sich auch in der Zukunft laufend ändern, auch angesichts des beschleunigten Wandels von Gesellschaft und Arbeitswelt. Deshalb bedarf es einer Regelung, die strukturell Raum für Innovation in Schule und Bildung schafft. 
  • Öffentliche Bildungsdebatte: Die Debatte darüber, wie eine künftige gymnasiale Oberstufe aussehen soll, wird von der KMK weitgehend hinter verschlossenen Türen geführt und ohne öffentliche Beteiligung entschieden. Einbezogen werden sollten jedoch alle – Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte, Wissenschaft, Unternehmen, und Gewerkschaften.