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DGB-Stellungnahme

Berufsbildung der Zukunft?! Masterplan enttäuscht

Der Masterplan des SHIBB soll die Zukunft der beruflichen Bildung sichern. DGB und GEW kritisieren, dass viele Ausbildungsberufe gerade in ländlichen Gebieten eingestellt werden. Ziel muss sein es sein, in jedem Kreis eine Vielfalt an Berufsfeldern anzubieten.

Der DGB Nord erkennt das Bestreben des SHIBB an, die duale Ausbildung im Land zu sichern. Allerdings scheint die vorgeschlagene Maßnahme der Reduktion von Klassen und Standorten als Mittel zur Steigerung der Attraktivität der dualen Ausbildung nicht hinreichend durchdacht oder effektiv. Die Attraktivität der dualen Ausbildung hängt von vielen Faktoren, wie einem auswahlfähigem Angebot, der Attraktivität, Qualität, Erreichbarkeit, Unterbringung, Betreuung, Work-Life-Balance und Zukunftsaussichten ab. Eine bloße Reduktion von Klassen adressiert diese Herausforderungen nicht. Die ursprünglich geplante Nutzung des temporären Rückgangs der Zahl der Schülerinnen und Schüler als antizyklisches, qualitatives Investment in Sicherung und Qualifizierung der Lehrkräfte ist offensichtlich fallen gelassen worden. Die wechselseitigen Wirkungen und Abhängigkeiten der an den beruflichen Schulen beschulten Schularten und ihre Sicherung werden kaum adressiert, obwohl dies der Auftrag aus der aktuellen Koalitionsvereinbarung ausdrücklich vorsieht.

1. Maßnahmen zur Sicherung von dualer Ausbildung in der Fläche

Die Sicherung der beruflichen Ausbildung in ländlichen Gebieten sollte ein zentraler Ansatz des „Masterplanes“ sein. Trotz des Ziels, alle Standorte zu erhalten, werden im vorgelegten Masterplan viele Ausbildungsberufe, gerade an ländlichen Standorten, eingestellt. Ziel muss es jedoch sein, in jedem Kreis oder jeder kreisfreien Stadt eine Vielfalt an Berufsfeldern wie Metall, Elektro, Bau, Wirtschaft und Verwaltung, Agrarwirtschaft, Gesundheit, Ernährung und Hauswirtschaft anzubieten. Es muss für die Jugendlichen eine umfassende Auswahl von Ausbildungsberufen in der Fläche angeboten werden.
Um eine breite berufliche Orientierung an allen Standorten zu ermöglichen, ist die Förderung von Berufsfeldern statt der Basisberufe notwendig. Wenn Berufsorientierung und Berufsvorbereitung direkt mit der dualen Ausbildung verknüpft würden, könnten mehr Ausbildungsberufe an vielen Berufsschulstandorten dauerhaft gesichert werden. Das Konzept der BBZ Mölln gibt hier Orientierungshinweise für eine Verknüpfung von Berufsorientierung und Berufsvorbereitung mit dualer Ausbildung innerhalb eines neuen, überarbeiteten „Masterplanes Berufliche Bildung“.
Ein weiteres wichtiges Element des vorgelegten Masterplanes ist die sogenannte “Gabelbeschulung”. Diese muss an jedem Standort so ausgeweitet werden, dass mindestens ein Ausbildungsberuf pro Berufsfeld bis zur Abschlussprüfung geführt wird, um die Qualität der Ausbildung und die Qualifikation sowie damit die Arbeitszufriedenheit der Lehrkräfte zu sichern. Die Praxis, bestimmte Berufe nur bis zur Unterstufe anzubieten, hat sich nicht bewährt. Ein erster Erfolg einer solchen Strategie ist die Einführung des Metallbauers/der Metallbauerin als Basisberuf im Metallcluster. So bleibt an fast allen Standorten ein Beruf aus dem Metallbereich bis zum Abschluss erhalten, was die berufliche Vielfalt und Qualität der Ausbildung stärkt.

2. Investitionen in Lehrinhalte und Ausstattung der Berufsschulen sowie die systematische Implementierung digitaler Lernformate sind entscheidend für die Ausbildungsqualität
Für Auszubildende dürfen keine unzumutbaren Wegezeiten sowie Kosten für Wege und Unterbringung entstehen. Der Masterplan krankt an einer Nicht-Konkretisierung von rechtlich unbestimmten Begriffen der Zumutbarkeit. Der öffentliche Nahverkehr (ÖPNV) muss nachhaltig verbessert werden, um die Schulstandorte besser erreichbar zu machen. Es darf keine Notwendigkeit bestehen ein Auto oder den Führerschein zu besitzen, um eine duale Ausbildung zu beginnen, da dies den Zugang zur Berufsschule einschränkt und für viele Auszubildende nicht erreichbar ist (Alter, Kosten). Es ist wichtig, Internate oder Wohnheime zu bauen und bereitzustellen, die von Fachpersonal betreut werden, um eine angemessene Betreuung sicherzustellen. Außerdem muss eine Verpflegungsmöglichkeit wie eine Mensa zur Verfügung stehen. Es wird gefordert, dass alle Regionalen Berufsbildungszentren (RBZ) und Berufsschulen mit Internaten und einer Mensa ausgestattet werden, um den Auszubildenden eine angemessene und kostengünstige Unterbringung und Verpflegung während des Schulbetriebs zu ermöglichen.

Wir fordern die Schaffung von Rahmenbedingungen, die eine effektive Nutzung digitaler Lernformen in der dualen Ausbildung ermöglichen. Hierzu zählen ein gleichberechtigter Zu-gang zu digitalen Lernressourcen: Alle Auszubildenden müssen unabhängig von ihrer Wohnsituation und den technischen Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, Zugang zu digitalen Lernformaten haben. Dies erfordert eine umfassende Ausstattungsinitiative von Land und Ausbildungsunternehmen, die sicherstellt, dass jeder Auszubildende über die notwendigen Endgeräte und eine stabile Internetverbindung verfügt. Hinzu kommen die Entwicklung und Bereitstellung vielfältiger Lernformate. Die Berufsschulen müssen in die Lage versetzt werden, ein breites Spektrum an Lernforma-ten anzubieten – von Präsenzunterricht über hybride Modelle bis hin zu vollständig digitalen Kursen. Dies erfordert Investitionen in die digitale Infrastruktur sowie in die Entwicklung von Online-Lernplattformen und -materialien. Lehrkräfte müssen in der Anwendung und Gestaltung digitaler Lernangebote geschult werden, um die pädagogische Qualität zu gewährleisten und die Auszubildenden optimal zu unterstützen. Es muss gewährleistet sein, dass Auszubildende, die digitale Lernformate nutzen, vor Ort – beispielsweise an der nächstgelegenen Berufsschule – Unterstützung erhalten können. Dies umfasst sowohl technische Hilfestellung als auch pädagogische Betreuung. Die Berufsschule muss weiterhin ein Ort des sozialen Lernens und des persönlichen Austausches bleiben. Digitale Lernformate sollen den Präsenzunterricht ergänzen, nicht ersetzen. Teilzeit-Ausbildungen und eine insgesamt eine bessere Vereinbarkeit zwischen Ausbildung und Privatleben könnten die Attraktivität der Erstausbildung steigern.


3. Fazit: Zukunftsaussichten der dualen Ausbildung verbessern


Die Transformation der Arbeitswelt und damit der Beruflichen Bildung sowie die absehbaren Entwicklungen und Investitionen von Bestandsunternehmen und Ansiedlungen wie auch das sich verändernde Berufswahlverhalten der Jugendlichen müssen im Masterplan stärker berücksichtigt werden. Berufliche Schulen müssen als Innovationszentren für regionale und überregionale Zusammenarbeit  aller Partner der beruflichen Bildung arbeiten mit dem Ziel, agile Innovationsprozesse zu initiieren und den Strukturwandel und die anstehende Transformation mitzugestalten. Die hier formulierten Erwartungen müssen in die notwendige Fortschreibung des Masterplans aufgenommen werden, um eine zukunftsfähige und gerechte Bildungslandschaft in der Fläche zu schaffen. Es ist entscheidend, dass der Masterplan konkrete Konzeptansätze und Maßnahmen enthält, die diese Ziele unterstützen und realisieren.
Die Attraktivität der gesamten Teilzeit- und Vollzeitbeschulung, Berufsorientierung und -vorbereitung muss durch Anpassung der Ausbildungsinhalte an aktuelle Anforderungen und Kooperation mit Unternehmen und Fachhochschulen gesteigert werden. Die Möglichkeit eine Berufsausbildung mit einem Fachhochschulstudium zu verbinden, sollte in Angriff genommen werden, wie es bereits in Hamburg praktiziert wird. Die Errichtung einer Berufshochschule unter Berücksichtigung sämtlicher Berufsschul- und Fachhochschulstandorte ist bereits im Koalitionsvertrag vereinbart und gehört selbstverständlich in einen „Masterplan Berufliche Bildung“. Vergütung, Arbeitsbedingungen und gesellschaftliche Anerkennung der Lehrkräfte sind ebenfalls wichtige Faktoren.

Solche Perspektiven für die Berufsbildung der Zukunft lässt der vorliegende Masterplan nicht erkennen. So bleibt er weitestgehend eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation. So bleibt er weitestgehend eine Bestandsaufnahme der gegenwärtigen Situation. Die Gelegenheit, die temporär sinkenden Schüler*innenzahlen als Chance für eine echte Qualitätssteigerung zu nutzen, wird vertan. Ein Masterplan ohne zusätzliche Ressourcen kann kein qualitatives Gesamtkonzept bieten, wenn er lediglich Bestehendes verschiebt. Der vorliegende Plan sollte daher den Startschuss für die notwendigen Strukturanpassungen und eine umfassende Masterplanung bieten.