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DGB-Ausbildungsreport

Ausbildung muss eigenständiges Leben ermöglichen - Azubi-Ticket jetzt!

Wohnen und Mobilität brennen Auszubildenden besonders auf den Nägeln. Knapp zwei Drittel der für den Ausbildungsreport befragten Azubis wohnen bei Eltern oder Verwandten. 68 Prozent wünschen sich aber eine eigene Wohnung.

Die Corona-Krise wirkt wie ein Brennglas auf die Probleme der dualen Ausbildung. Die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge hat 2020 in Schleswig-Holstein mit 18.426 ein historisches Tief erreicht. Aber: Schleswig-Holstein braucht dringend beruflich ausgebildete Fachkräfte, jetzt und erst recht nach der Corona-Krise. Die DGB-Jugend hat für ihren Ausbildungsreport über 700 Auszubildende in Schleswig-Holstein nach der Qualität ihrer Ausbildung gefragt. Ein besonderer Schwerpunkt lag diesmal auf den Themen Mobilität und Wohnen. Der DGB Jugend Ausbildungsreport 2021 zeigt, wie überfällig die vom Land für diesen März angekündigte Richtlinie zur Förderung der Unterbringungskosten ist und warum das Azubi-Ticket der nächste berufsbildungspolitische Schritt in S-H sein muss.

Der Ausbildungsreport belegt: Die Themen Wohnen und Mobilität brennen den Auszubildenden besonders auf den Nägeln. Aktuell leben knapp 2/3 der für den Ausbildungsreport Schleswig-Holstein befragten Azubis bei ihren Eltern oder Verwandten. 68 Prozent wünschen sich aber eine eigene Wohnung und können sich diese wegen einer zu niedrigen Vergütung und überteuerten Wohnungen nicht leisten. Anders als früher sind Auszubildende heute junge Erwachsene und haben teilweise bereits Familie – ihre Bedürfnisse haben sich also verändert.

Auszubildende aus Schleswig-Holstein, die beim Blockunterricht in weit entfernten Berufsschulen auswärtige Unterkünfte finanzieren müssen, werden auf Druck der Gewerkschaften für dieses Jahr finanziell durch das Land entlastet. Die Bootsbau-Auszubildenden der Beruflichen Schule der Handwerkskammer Lübeck haben gemeinsam mit der IG Metall und dem Deutschen Gewerkschaftsbund auf die Unterbringungskosten aufmerksam gemacht, die besonders für Auszubildende mit geringer Ausbildungsvergütung eine enorme Belastung darstellen.

Zoé Eller, Auszubildende: „Zur Miete kommen durchschnittlich Fahrtkosten von 116€ im Monat dazu - das sind knapp 15 Prozent der durchschnittlichen Vergütung von Auszubildenden in Schleswig-Holstein. Das ist ganz schön happig. Wir fordern die sofortige Einführung eines echten landesweiten Azubi-Tickets. Damit hätte das Land Schleswig-Holstein die Chance, die duale Ausbildung deutlich attraktiver zu gestalten – und das ist mit Blick auf die sinkenden Ausbildungszahlen und die Anstrengungen anderer Länder beim Thema Azubi-Ticket mehr als nötig.

Dazu Ingo Schlüter, stellvertretender Vorsitzender DGB Nord: „Im vergangenen Jahr sind in Schleswig-Holstein über 1.600 Ausbildungsverträge weniger abgeschlossenen worden als in 2019 – dieses Problem muss jetzt mit Hochdruck angegangen werden. Die Corona-Krise ist irgendwann vorbei – der Fachkräftemangel wird aber bleiben. Für das Ausbildungsjahr 2021 fordere ich die Unternehmen deshalb dringend auf, wieder deutlich mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen! Und, um anders als 2020 wieder alle ausbildungsinteressierten Jugendlichen den Zugang zur Erstausbildung zu eröffnen, müssen den vielen Online-Berufsorientierungsangeboten schnellstmöglich wieder Präsenzberufsmessen und Schülerpraktika folgen, sobald die Corona-Situation dies erlaubt.“

Wiebke Oetken, DGB-Jugend Nord ergänzt: „Die vom Wirtschaftsminister angekündigte finanzielle Entlastung der Azubis aus Bezirks- und Landesfachklassen im Blockschulunterricht ist ein riesen Erfolg für die Gewerkschaftsjugend, darf aber nicht nur auf die Coronazeit beschränkt werden. Nach der Pandemie ist die finanzielle Belastung genauso da – die Richtlinie muss daher 2022 in einer gesetzlichen Regelung verstetigt werden.

Bei den angebotenen Ausbildungsplätzen müssen die Unternehmen außerdem an der Qualität arbeiten: Nach wie vor machen 30 Prozent der Azubis regelmäßige Überstunden und 14 Prozent haben keine_n Ausbilder_in an ihrer Ausbildungsstelle zur Verfügung. Dieser Umgang mit unseren Nachwuchskräften passt nicht zum dauerhaften Wehklagen über den Fachkräftemangel. Da müssen das Land Schleswig-Holstein und die Kammern ran! Das sind Gesetzesverstöße, die kontrolliert und sanktioniert werden müssen.“

Die DGB-Jugend Nord befragt regelmäßig anhand eines Fragebogens Auszubildende in Schleswig-Holstein zu ihrer Ausbildungssituation. Dieses Jahr wurde zusätzlich der Schwerpunkt Mobilität und Wohnen behandelt. Die letzten Untersuchungen erfolgten 2010, 2012 und 2017.

Forderungen der DGB-Jugend:

  • Einführung eines kostengünstigen, landesweiten Azubi-Tickets in Verbindung mit dem Ausbau des ÖPNV
  • Schaffung von günstigen, attraktiven und lernortnahen Wohnmöglichkeiten für Azubis, bspw. in Form von Azubi-Apartments
  • Eine Ausbildungsvergütung, die zum Leben reicht
  • Regelmäßige Kontrollen durch die Kammern. Gesetzesverstöße wirken sich negativ auf die Bewertung der Ausbildung aus. In gravierenden Fällen darf dabei auch vor Sanktionen (bis hin zum Entzug der Ausbildungsberechtigung) nicht zurückgeschreckt werden
  • Verstetigung der Richtlinie zur Unterstützung von Auszubildenden in Bezirks- und Landesfachklassen bei notwendiger auswärtiger Unterkunft während des Berufsschulunterrichts in einer gesetzlichen Regelung ab 2022 sowie Ausweitung der Förderung ab 2022 z.B. hinsichtlich der Übernahme von anfallenden Reisekosten zu Berufsschulstandorten außerhalb Schleswig-Holsteins
  • Ausbildungsgarantie mit einer Umlagefinanzierung, denn wir kämpfen um jeden betrieblichen Ausbildungsplatz